Lehrer

Paul Tresselt
Paul Tresselt berichtet von seinen Reisen, seinem Beruf und seinen Hobbys
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Lehrer

Beruf
Wie ich Lehrer wurde
Wenn man als Pensionär zurückdenkt und sich fragt, warum man Lehrer geworden ist, kommen seltsame Gedanken zu Tage. Ursprünglich hatte ich nämlich vor, Fachmann für ABC-Waffen zu werden. In den 60er Jahren war die Ost-West-Konfrontation sehr aktuell und die Verteidigungspolitik auch. Als Schüler hatte ich großes Interesse an den Fächern Physik, Chemie und Biologie, obwohl ich auf einem altsprachlichen Gymnasium war und Latein und Griechisch lernte. Englisch und die Naturwissenschaften waren Nebensache. Physik bekamen wir als Unterrichtsfach erst in der Untertertia, aber das begeisterte mich durchaus, zumal ich als Kind immer elektrische Geräte gern auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt hatte. Die Elektrizität faszinierte mich irgendwie. Eigentlich waren meine physikalischen Fähigkeiten gar nicht so hoch, weil ich die Mathematik irgendwie hasste und nie über befriedigende Leistungen in diesem Fach hinausgekommen war. Aber ich experimentierte gern und dann kam mir ein Zufall zu Hilfe. Unser Studienrat, den wir in Physik hatten, brauchte für seine Versuchsaufbauten auf dem Demonstrationstisch oft einen Helfer. Da ich an der Ecke der untersten Reihe des Physik-Saals mit dem ansteigenden Gestühl saß, meldete ich mich gern dazu und wurde fortan für diese Zwecke herbeigerufen. So konnte ich die Versuchsaufbauten gut mitverfolgen und verstand auch die Wirkungsweise der physikalischen Phänome. Von da an interessierte ich mich für Physik und lernte auch für dieses Fach, obwohl es in unserem altsprachlichen Gymnasium gar nicht favorisiert wurde.
Dasselbe passierte im Übrigen auch mit der Chemie. Unser Studienrat, den wir "Papa Meyn" nannten, unterrichtete uns in Mathematik und Chemie. Er gab in der Volkshochschule Kurse zum Thema "Chemie des Alltags", die mich sehr interessierten, weil ich gern zu Silvester Knallkörper und Feuerwerk herstellte. Als er sah, dass ein Schüler seiner Klasse an diesem Abendkurs teilnahm, freute ihn das sehr und er machte mich zu seinem Gehilfen für den Aufbau der Experimente. Das gefiel mir außerordentlich, denn so kam ich an die ersehnten Chemikalien und Kenntnisse für meine Versuche, die ich  zu Hause durchführte. Während wir in dem Volkshochschulkurs Zahnpasta, Ersatzkaffee aus Möhren oder Schuhcreme herstellten, experimentierte ich zu Hause im Badezimmer mit Schwarzpulver, Schießbaumwolle oder Nitroglyzerin. Es machte mir großen Spaß, Bomben zu bauen, die man zu Silvester krachen ließ. Das Ammoniumnitrat oder  Natriumnitrat gab es als Unkraut-Ex im Gartencenter, den Schwefel fand ich im Neusser Hafen und die Holzkohle stellte ich mir selbst her. Kaliumpermanganat oder Kaliumchlorat als Oxidationsmittel besorgte ich mir aus der Drogerie und so war das alles kein Problem, Feuerwerkskörper und Raketen herzustellen. Farbige Lichteffekte erzeugte ich durch Zugaben von Strontiumnitrat oder Bariumnitrat. Ich verschlang sämtliche Bücher von Hermann Römpp, einem großen Chemiker, der vor und während des Zweiten Weltkrieges die Herstellung von vielen Produkten aus einfachen Mitteln beschrieb. Seine Bücher waren in sehr verständlicher Form verfasst und ohne viel Formeln. Es dauerte nicht lange, bis ich ein Spezialist in solchen Sachen wurde und Spaß daran hatte, so etwas beruflich zu machen. So gab ich auch in der Unterprima als Berufwunsch den ABC-Techniker an, der sich mit atomaren, biologischen und chemischen Kampfstoffen beschäftigte. Leider wurde nichts daraus, weil ich bei der Musterung wegen meiner Motorradunfälle mit vielen Knochenbrüchen nur der Ersatzreserve II zugeteilt wurde. "Fehler am Skelett" stand im meinem Wehrpass, was mich sehr entmutigte. Meine schönen Berufsvorstellungen waren dahin.
Mein Fähnleinführer aus dem Bund Neudeutschland, dem ich in der Quinta im Quirinusgymnasium beigetreten war, riet mir, Volksschullehrer zu werden. Ich könne doch gut mit Kindern umgehen, sagte er mir und das sei doch etwas für mich. Er selbst studierte Deutsch und Geschichte und wollte Studienrat werden. "Wenn ich nach 8 Semestern Studium Assessor bin und lange noch nicht Studienrat, bist du längst fertig mit 6 Semestern und verdienst Geld, das ich nie mehr einholen kann" sagte er mir. Ich nahm diesen Rat an und wurde also Volksschullehrer. Ich studierte in Neuss an der Pädagogischen Hochschule das Lehramt Volksschule. Das war fantastisch, weil das nicht sehr anspruchsvoll war und ich in meiner freien Zeit auf einem Schrottplatz in Kaarst arbeiten konnte. Der Besitzer war gelernter Autoschlosser und im Krieg in einer Instandsetzungskompanie in Jugoslawien eingesetzt gewesen. Er kannte alle Tricks, wie man aus alten Ersatzteilen funktionsfähige Fahrzeuge zusammenflicken kann. Von ihm lernte ich, dass man Wasser statt Bremsflüssigkeit in den Fahrzeugen verwenden kann, wie man Ventile schleift, Zylinderköpfe poliert oder Dieselpumpen einstellt.. So dauerte es nicht lange, bis ich in seiner Werkstatt alte Schrottkisten zu ansehnlichen Mercedes-Limousinen zusammenschraubte. Ich hatte Schweißen gelernt und baute Hanomag- Dieselmotoren in große Mercedes-oder Borgward- Karosserien ein.
Jedenfalls verhalfen mir die Arbeiten in der Autowerkstatt sehr für mein Studium. Da ich das Wahlfach Physik gewählt hatte und in der Schulzeit immer beim Aufbau der Physikexperimente geholfen hatte, fand ich jetzt auch hier die gleichen Versuchsaufbauten wieder. Und meinem Professor gefiel vor allem meine Examensarbeit, denn ich hatte das Thema gewählt: "Einfache Experimente zur Elektrizitätslehre mit einfachen Mitteln". Darin erklärte ich, wie man elektrische Teile vom Autoschrottplatz für den Unterricht in der Schule verwenden kann. Ich beschrieb Experimente und Versuchsaufbauten mit Blinkrelais, Scheibenwischermotoren, Anlassern, Lichtmaschinen, Tastern, Schaltern, Lautsprechern, Spiegeln, Parabolspiegeln von Autoscheinwerfern und Reflektoren. Zu allen Versuchen zeichnete ich die Schaltpläne und Versuchsaufbauten und fotografierte alles. Dass ich alle Fotos selbst angefertigt und keinerlei Literatur für meine Arbeit verwendet hatte, imponierte dem Professor sehr, sodass ich eine sehr gute Note dafür bekam. Meine Schwächen in Mathematik glich das aus, sodass ich die Lehrerprüfung mit der Gesamtnote "gut" bestand.
Meine Zeit als Lehrer und Fachleiter
Allzugern wäre ich an eine Dorfschule als Lehrer gegangen, denn ich hatte in Nievenheim mein Landschulpraktikum absolviert und war begeistert von dem gemeinsamen Unterricht mit Kindern vom 1. bis 4. Schuljahr in einer Klasse. Ich wurde jedoch an die Leoschule in Neuss versetzt, die eine Volksschule mit Kindern vom 1. bis 8. Schuljahr war. So startete ich im Alter von 22 Jahren meine Lehrerlaufbahn am 1. April 1966 als Volksschullehrer. Das machte großen Spaß, obwohl es eine katholische Bekenntnisschule war. Samstags ging ich mit den Kindern zur Beichte in die Christ-König-Kirche ging und sonntags führte ich Aufsicht in der Messe. Ich wurde Mitglied im  Katholischen Lehrerverband, dem Vorläuferverband des heutigen Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) wie viele Mitglieder des Kollegiums.
Zwei Jahre später war aber die Volksschule gestorben, denn alle Eltern sollten nach dem Motto des Kultusministers ihre Kinder auf bessere Schulen schicken. Zu diesem Zweck war die Hauptschule aus der Taufe gehoben worden und ich fand mich an der Hauptschule Neusser Weyhe wieder - mit anderen jungen Kolleginnen und Kollegen, die sich für diese Schulform entschieden hatten. Alle waren sehr engagiert und das Kollegium war toll. Eigentlich war das meine schönste Zeit als Klassenlehrer und Fachlehrer. Wir mussten an der "Junglehrerarbeitsgemeinschaft" bis zu unserer Zweiten Lehrerprüfung teilnehmen, denn wir wurden ja erst mit 27 Jahren verbeamtet. Es gab noch keine Lehrpläne und kaum Arbeitsmaterial für die neue Schulform. Also schrieb ich meine ersten drei Bücher und gründete den "Neusser Didaktischen Arbeitskreis". Wir erstellten "Lehr-und Arbeitspläne für die Hauptschule", die wir im Henn-Verlag in Ratingen veröffentlichten. Leider stellte der Verlag seine Arbeit ein, bevor wir alle Fächer versorgt hatten und die Bände verschwanden im Antiquariat. Da hatte ich zum ersten Mal richtig Lehrgeld bezahlt, denn für die ganze Arbeit kam finanziell nichts dabei für mich dabei heraus. Gewonnen hatte ich allerdings ein hohes Maß an didaktischem und methodischen Wissen für die Sekundarstufe I. Das kam mir bei bei meiner Zweiten Staatsprüfung zugute, denn ich schrieb meine Schriftliche Hausarbeit zum Thema "Chemie mit einfachen Mitteln in der Hauptschule", wobei ich viele Experimente beschrieb, die mit geringsten Mitteln aus Haushaltschemikalien ohne Kosten betrieben werden konnten. Geholfen haben mir dafür meine Kenntnisse aus der Schulzeit und die damalige intensive Beschäftigung mit meinen Lieblingsbüchern von Hermann Römpp "Chemische Experimente, die gelingen", "Chemie des Alltags" und "Organische Chemie im Probierglas". Ich besaß die Ausgaben von 1940, die sehr viel mehr interessante Versuche enthielten als die Nachkriegsausgaben. Die Experimente waren genau das Richtige für die Hauptschule und ich konnte mit den Schülern viele Reagenzglasversuche machen. Die fotografierte ich und sie begeisterten wohl auch die Prüfer, die die Arbeit mit "sehr gut" bewerteten.
Inzwischen hatte sich die Lehrerausbildung geändert und man war nicht mehr drei Jahre Junglehrer und nahm an einer solchen Arbeitsgemeinschaft teil, sondern man war nach dem Studium Lehramtsanwärter und machte einen Vorbereitungsdienst von 24 Monaten an einem Bezirksseminar. Dort übernahmen Seminarleiter die Ausbildung in der allgemeinen Pädagogik, Methodik und Didaktik und Fachleiter die Ausbildung in den einzelnen Fächern. So wurde auch ich kurz nach meiner Verbeamtung auf Lebenszeit Fachleiter für Physik und Chemie am Bezirksseminar Neuss, wurde zum Konrektor ernannt und bildete fortan Lehrerinnen und Lehrer in diesen Fächern aus. Das war eine schöne Zeit, denn ich war einerseits in der Schule und unterrichtete Physik und Chemie, andererseits bildete ich Lehrerinnen und Lehrer in diesen Fächern aus und lud sie in meinen Unterricht ein. Bei der Pädagogischen Hochschule in Neuss hatte ich einen Unterrichtsauftrag für die Praktika der Studenten, zeigte Physikunterricht mit meiner Klasse in der Aula der Hochschule und hatte dadurch immer Studenten in meinem Unterricht, die ihr Praktikum in unserer Schule ableisteten. In dieser Zeit drehte ich Lehrfilme für den Unterricht in Physik und Chemie in Zusammenarbeit mit  dem Landesinstitut für Schule und Weiterbildung in Soest, wo ich auch Fortbildungskurse gab.
Einige Minderwertigkeitskomplexe bekam ich aber doch, als in meinem Seminar ein Lehramtsanwärter auftauchte, der vorher Chemielaborant bei BAYER war und deutlich bessere Chemiekenntnisse hatte als ich. Sicherlich war ich im Unterrichten besser, aber er hatte einfach mehr fachlichen Hintergrund. Deshalb belegte ich einen Erweiterungskurs für die Lehrbefähigung in Chemie und schloss mit der Note "gut" ab. Das entsprach jetzt dem Lehramt für die Realschule, aber ich blieb an der Hauptschule, weil das Kollegium so toll war, meine Frau an der gleichen Schule unterrichtete und wir zusammen Volleyball spielten. Als es Personalratswahlen gab, meldete ich mich und wurde in den örtlichen Personalrat für Grund-und Hauptschule im Kreis Neuss gewählt. Das war ziemlich neu für mich, denn jetzt lernte ich erst einmal die Verfahren für Einstellungen, Versetzungen und Kündigungen von Lehrern kennen. Manchmal hatten Kolleginnen und Kollegen auch Probleme mit ihren Schulleitern oder Schulräten und ich nahm an den Vermittlungsgesprächen teil. Dabei erkannte ich, mit welchen Strategien die Dienststellen und Behörden gegenüber ihren Bediensteten vorgingen. Diese Einblicke halfen mir persönlich sehr für meine späteren Tätigkeiten.  
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